Kleine Zeichen, große Wirkung - geschlechtersensible Sprache an der DHBW Villingen-Schwenningen
Was haben StudentInnen, Student_innen, Student*innen, Student:innen und Studierende gemeinsam? Richtig, alle gehen zu einer Universität oder Hochschule. Und: Alle Begriffe sind »gegendert« formuliert. Manche mag das Wort »gendern« abschrecken. Oft wird es mit dem »Gender-Stern« oder »-Doppelpunkt« verbunden, welche das generische Maskulinum in geschlechtergerechte Wortformen verwandelt. Woher die Ablehnung rührt, kann nur schwer gesagt werden – liegt es an der Veränderung, mehr am Unverständnis, was »gender« ist oder an einer häufig überhitzten, jedoch wichtigen Debatte?
Besondere Aufmerksamkeit erzeugte das Thema Anfang des Jahres, als die Universität Kassel einem Studierenden Punkte abzog, weil er nicht geschlechterneutral formulierte. Daraufhin bezog unter anderem CDU-Politiker Friedrich Merz Stellung. Er beispielsweise sprach sich für ein Verbot vom Gendern in staatlichen Institutionen aus, um wichtigeren Themen Raum zu geben und die deutsche Sprache vor Veränderungen zu bewahren.[1] Andere wiederum kritisierten diese Aussage.
Doch wo hat das »Gendern« eigentlich seinen Ursprung und warum gewinnt es zunehmend an Relevanz? Der Begriff »Gendern« leitet sich vom Wort »gender« ab, der englischen Bezeichnung für Geschlecht. Hierbei ist es wichtig, den Begriff »Gender« von dem des biologischen Geschlechts abzugrenzen. Letzteres definiert sich über körperliche Eigenschaften, unter anderem die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Das soziale Geschlecht, das »Gender«, bezieht sich auf die sozialen Merkmale, aufgrund derer wir unterbewusst Menschen einem Geschlecht zuordnen.
»Gendern« ist nicht in allen Sprachen notwendig. So wird in der englischen oder dänischen Sprache das Geschlecht in der dritten Person angegeben. Es existieren auch genderlose Sprachen wie Finnisch oder Ungarisch, die kein grammatikalisches oder pronominales Geschlecht enthalten. Deutsch zählt ebenso wie Spanisch zu den Sprachen, bei denen das grammatikalische Geschlecht des Substantivs mit dem Geschlecht des verwendeten Personalpronomens kongruent ist.
Im deutschen Sprachgebrauch bemüht sich eine genderneutrale Sprache folglich um die sprachliche Einbeziehung und Gleichstellung aller Geschlechter, da unsere Sprache unser gesellschaftliches Leben und Denken widerspiegelt.
Auch von der DHBW Villingen-Schwenningen wird die Anwendung geschlechtergerechter Sprache verfolgt. Obwohl es verschiedene gleichbedeutende Möglichkeiten zum »Gendern« gibt, empfiehlt die Hochschule die Verwendung des Gendersternchens. Dieses, aus den Programmiersprachen entstammend, impliziert viele möglichen Endungen des Wortstammes und spricht folglich auch Personen an, die sich mit keinem der binären Geschlechter identifizieren.[2]
Eben dieses Einfügen von Satzzeichen wird von Kritikern oft als unnatürlich und der deutschen Sprache schadend proklamiert.[3] Wenn einige Stimmen jedoch »Gendern« mit einer »Sprachdiktatur« verbinden, zwingen sie sich nicht viel mehr selbst das Beibehalten von veralteten Strukturen auf?
Ein Beispiel für veraltete Strukturen sind sogenannte »Generalklauseln«, die angeben, wie ein Text zu verstehen sei. Sicher haben viele schon folgende Formulierungen gelesen: „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Bachelorarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.“ Formulierungen wie diese gleichen einem leeren Versprechen ohne Umsetzung konkreter Schritte. Eine solche Klausel zeigt nicht die Vielfalt der Geschlechter und übergeht, wie vielseitig geschlechtergerechte Sprache sein kann.
Zugegeben, hierfür erfordert es die aufmerksame Reflexion über den eigenen Sprachgebrauch und etwas Übung. Die Alternative ist jedoch die fehlende Repräsentation aller Geschlechter in der deutschen Sprache. Außerdem ist Sprache kein starres Konstrukt, sondern befindet sich stets in Bewegung.[4] Das wird deutlich an der Aufnahme von zahlreichen Anglizismen in den Duden. Genauso wie hiermit die Folgen von einer zunehmend globalisierten Gesellschaft abgebildet werden, sollten doch auch Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Inklusion Platz in der deutschen Sprache finden.
Fortschritt kommt nicht ohne Kreativität aus – gleich ist es mit dem »Gendern«. Wie geschlechtergerechte Sprache geht, ist nicht festgelegt. Alle dürfen so »gendern«, wie sie wollen, egal ob in Sprache oder Schrift. Entscheidend ist die Einbeziehung aller Geschlechter.
Die DHBW Villingen-Schwenningen als Ort der Bildung und des Zusammenseins begrüßt das Engagement vieler Studierender und deren Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache. An einer Dualen Hochschule kann der Gebrauch insofern noch von Bedeutung sein, da jede und jeder von uns diese aufgeschlossene Haltung in das Unternehmensumfeld des entsprechenden Dualen Partners weitergeben kann.
Am Campus der DHBW Villingen-Schwenningen engagiert sich das A-Team als Instanz für Gleichstellung, Toleranz und grenzachtendes Handeln. Tatsächlich geht es hier darum, die mentalen Grenzen im Kopfe jedes Menschen zu erweitern. Indem wir als Hochschulangehörige Sprache bewusst geschlechtergerecht verwenden, machen wir auf die Vielfalt an unserer Hochschule und auf bestehenden Verbesserungsbedarf aufmerksam. Wird hingegen in der Regel nur ein Geschlecht angesprochen, wird auch nur an eben dieses gedacht. Und das entspricht schlichtweg nicht der Realität. An jeder Ecke unseres Lebens treffen wir auf Personen jeden Geschlechts oder eben auch jene, die sich keinem der binären Geschlechter zuordnen. Wir sind der Überzeugung, dass sich diese Tatsachen auch in unserem alltäglichen Sprachgebrauch widerspiegeln sollten. Auch wenn es eine Umstellung ist, bewirken letztendlich zwei Punkte, ein Sternchen oder ein großes I die sprachliche Repräsentation aller Menschen in unserer Gesellschaft – denn kleine Zeichen, große Wirkung!
Femke und Valentin
für das A-Team
[1] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gendern-friedrich-merz-gegen-geschlechtsneutrale-sprache-17307811.html
[2] https://www.dhbw-vs.de/hochschule/gremien-organisation/gleichstellungsbeauftragte.html
[3] https://www.spiegel.de/kultur/wer-hat-angst-vor-dem-genderwahn-kommentar-von-liane-bednarz-a-948ed8f6-fa1f-465c-9b07-86cfcf34ccb0
[4] https://finno-ugristik.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/a_finno_ugristik/Studium/skriptum_sprachwissenschaft.pdf