Internationaler Tag der Toleranz

Egal ob im Fernsehen, auf Social Media oder in den Zeitungen: wir lesen von Konflikten überall auf der Welt. Manche klein, andere groß, viele scheinen so unnötig und doch werden wir sie nicht los. Gleichzeitig erleben wir, dass unsere Gesellschaft immer bunter wird. Nicht nur aufgrund der Flüchtlingsbewegungen oder des Zuzugs aus anderen europäischen Ländern, sondern auch aus vielfältigen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Interkulturalität ist zu einem wesentlichen Thema geworden, nicht nur im Austausch mit Menschen aus anderen Ländern, sondern auch im Umgang mit denen, die innerhalb unseres Landes kulturell anders geprägt sind als wir selbst. In diesem Zusammenhang zeigt sich, ob unser Denken in Schwarz-Weiß noch tief in uns verwurzelt ist, oder wir uns unserer bunten Welt bereits angepasst haben. Und nicht zuletzt liegt vielleicht genau dort der Ursprung für die vielen Konflikte in der Welt: die fehlende Toleranz für die Farben, die unsere Gesellschaft angenommen hat und auch täglich weiter annimmt.
Der Umgang mit dem „Anderssein“ ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ein Tag im Jahr, der an dieses Thema besonders erinnert, ist der 16. November, der internationale Tag der Toleranz. Toleranz bedeutet nicht nur, Unterschiede zu akzeptieren, sondern auch, aktiv Respekt zu zeigen. Es geht darum zu erkennen, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen unterschiedliche Denkweisen und Verhaltensweisen haben, die jedoch ebenso wertvoll und zu respektieren sind wie unsere eigenen. Dies bedeutet nicht, dass wir unsere eigene Kultur oder die damit verbundenen Werte aufgeben müssen, oder dass wir mit allen Facetten dieser Kulturen einverstanden sein müssen. Vielmehr sollten wir erkennen und gemeinsam daran arbeiten, in einer Welt zu leben, in der unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen nebeneinander bestehen können, ohne dass die eine die andere übertrumpft.
Die Welt ist wie ein buntes Mosaik; jedes kleine Steinchen, mit seinen verschiedenen Formen, Farben, Ecken und Kanten, trägt zur Schönheit des Ganzen bei. Erst wenn wir alle Teile zusammengesetzt haben, können wir das vollständige Bild erkennen. So ist es auch mit der Gesellschaft, die wir gestalten. Unsere kulturelle Vielfalt ist kein Hindernis, sondern ein wertvoller Beitrag zu einer besseren, reicheren Welt. Jede Kultur, jede Identität, jeder Mensch hat etwas Einzigartiges zu bieten, und diese Unterschiede sollten gefeiert und nicht verurteilt werden.
Nicht nur am 16. November widmen wir uns dem Thema „Toleranz“ Es ist etwas, was wir an der DHBW täglich in unsere Arbeitsbereiche einfließen lassen, egal ob im Studium, in der Lehre oder einfach im Umgang miteinander. Nur so können wir eine Gesellschaft schaffen, die auf Verständnis, Akzeptanz und dem gemeinsamen Streben nach einer besseren Zukunft basiert.
Auch Worte können verletzen
Plakatkampagne des A-Teams zum Thema »Sprache als Waffe«
Im A-Team der DHBW Villingen-Schwenningen engagieren sich Studierende und Professor*innen der Fakultäten Sozialwesen und Wirtschaft für ein grenzachtendes und respektvolles Miteinander. Mit ihrer neuen Print-Kampagne »Worte verletzen« möchten die Mitglieder auf verbale Gewalt aufmerksam machen und für einen bewussten Umgang mit Sprache sensibilisieren. Denn, so die Aussage der Hochschulgruppe, auch Worte können scharfe Waffen sein.
Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Linguist*innen und Philosoph*innen mit der Bedeutung von Worten und Sprache. In den 1960er-Jahren prägte etwa J. L. Austin den Begriff ‚Performanz‘ und untersuchte in seiner Sprechakttheorie den Zusammenhang zwischen Sprache und Handlung. Dem Philosophen zufolge können Äußerungen direkte Handlungen vollziehen. Als Beispiel diente ihm das Ja-Wort in der Kirche, infolge dessen das Brautpaar die Ehe eingeht. Rund 60 Jahre später beschäftigte sich Professorin Dr. Petra Gehring damit, inwiefern Sprache physische Gewalt ausüben kann. In ihrem Buch »Körperkraft der Sprache« schreibt die Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt nicht der Wortbedeutung eine Verletzungskraft zu, sondern dem Sprechakt selbst. Entscheidend sei, wie etwas gesagt werde, so die Wissenschaftlerin.
Ganz gleich, welcher Forschungsansatz herangezogen wird, eines ist offensichtlich: Sprache besitzt große Macht. Durch sie lassen sich Informationen weitergeben, Verträge schließen, Befehle erteilen. Sie können Freude auslösen – aber auch Leid. Letzteres möchte das A-Team mit ihrer Kampagne in den Fokus rücken. „In unserer heutigen Gesellschaft begegnen wir leider immer noch verletzenden Stammtischsprüchen. Oftmals werden dabei stereotype Vorurteile bedient und Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder anderer Merkmale diffamiert“, berichtet Professor Dr. Clive Flynn, Studiengangsleiter »BWL – International Business« und Mitglied des A-Teams. „Diese Sprüche werden von vielen als ‚harmlose‘ Scherze abgetan, doch Betroffene empfinden sie als verletzend und entwürdigend. Sie verstärken Vorurteile, schüren Hass und fördern eine Atmosphäre der Ausgrenzung.“
Zwar verursachen Worte keine direkten physischen Verletzungen, dennoch sind sie in der Lage, körperliche Reaktionen beim Gegenüber auszulösen, etwa Herzrasen, Erröten oder Sprachlosigkeit. Die scharfe Zunge eines Menschen könne ebenso verheerende Auswirkungen haben, wie eine physische Waffe, so der Studiengangsleiter. Manche Menschen besäßen die Fähigkeit, mit ihren Worten gezielt zu verletzen und andere zu demütigen. Durch bissige Bemerkungen, abwertende Kommentare oder offene Beleidigungen könne das Selbstwertgefühl und die seelische Gesundheit von Mitmenschen ernsthaft beeinträchtigt werden. „Im Gegensatz zu körperlichen Verletzungen halten Narben, die durch verbale Gewaltausübung entstanden sind, oft viel länger an“, so Flynn.
Gemeinsam mit den anderen Teammitgliedern plädiert der Studiengangsleiter für einen respektvollen zwischenmenschlichen Umgang und dafür, sich gegen jede Form von Diskriminierung und Verletzung auszusprechen. „Verbale Äußerungen sind imstande die Realität anderer Menschen zu beeinflussen. Die Frage ist: Welche Art von Welt möchten wir mit unseren Worten erschaffen? Ich sehe es als unsere Aufgabe, betroffene Personen zu unterstützen. Es liegt an uns allen, die Macht unserer Worte zu erkennen und sie bewusst und verantwortungsvoll einzusetzen. Nur so können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Respekt, Toleranz und Empathie im Vordergrund stehen.“
Als präventive Maßnahme hält der Hochschulangehörige die Reflektion der eigenen Sprache und des Ausdrucks für unerlässlich. „Eine respektvolle und einfühlsame Kommunikation gelingt, indem auf abwertende Begriffe, Vorurteile und beleidigende Äußerungen verzichtet wird und an ihre Stelle Ermutigung, gegenseitige Unterstützung und Inspiration tritt. Treten diskriminierenden Äußerungen im Umfeld auf, kann es helfen, das Gesagte offen zu thematisieren. So lässt sich die Wirkung von Worten ins Bewusstsein rücken und eine wertschätzende Atmosphäre schaffen.“
Abschließend hält Flynn fest: „Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns aktiv für eine inklusive Gesellschaft einsetzen, in der Vielfalt und Verschiedenheit geschätzt werden. Das Hinterfragen von Vorurteile, der Abbau von Stereotypen und der Einsatz für Gleichberechtigung und Akzeptanz hat einen positiven Einfluss auf das Miteinander. Bildung und Sensibilisierung spielen hierbei eine wichtige Rolle, denn nur durch Aufklärung können wir Vorurteile überwinden und eine Kultur des Respekts fördern. In einer Welt, in der Worte oft gedankenlos und verletzend eingesetzt werden, sollten wir uns bewusstmachen, dass jede Äußerung Reaktionen nach sich zieht. Lasst uns unsere Worte mit Bedacht wählen und unsere Sprache als Werkzeug nutzen, mit dem wir Liebe, Verständnis und positive Veränderungen fördern. Denn letztendlich sind es Worte, die unsere Welt formen können.“
Kleine Zeichen, große Wirkung - geschlechtersensible Sprache an der DHBW Villingen-Schwenningen
Was haben StudentInnen, Student_innen, Student*innen, Student:innen und Studierende gemeinsam? Richtig, alle gehen zu einer Universität oder Hochschule. Und: Alle Begriffe sind »gegendert« formuliert. Manche mag das Wort »gendern« abschrecken. Oft wird es mit dem »Gender-Stern« oder »-Doppelpunkt« verbunden, welche das generische Maskulinum in geschlechtergerechte Wortformen verwandelt. Woher die Ablehnung rührt, kann nur schwer gesagt werden – liegt es an der Veränderung, mehr am Unverständnis, was »gender« ist oder an einer häufig überhitzten, jedoch wichtigen Debatte?
Besondere Aufmerksamkeit erzeugte das Thema Anfang des Jahres, als die Universität Kassel einem Studierenden Punkte abzog, weil er nicht geschlechterneutral formulierte. Daraufhin bezog unter anderem CDU-Politiker Friedrich Merz Stellung. Er beispielsweise sprach sich für ein Verbot vom Gendern in staatlichen Institutionen aus, um wichtigeren Themen Raum zu geben und die deutsche Sprache vor Veränderungen zu bewahren.[1] Andere wiederum kritisierten diese Aussage.
Doch wo hat das »Gendern« eigentlich seinen Ursprung und warum gewinnt es zunehmend an Relevanz? Der Begriff »Gendern« leitet sich vom Wort »gender« ab, der englischen Bezeichnung für Geschlecht. Hierbei ist es wichtig, den Begriff »Gender« von dem des biologischen Geschlechts abzugrenzen. Letzteres definiert sich über körperliche Eigenschaften, unter anderem die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Das soziale Geschlecht, das »Gender«, bezieht sich auf die sozialen Merkmale, aufgrund derer wir unterbewusst Menschen einem Geschlecht zuordnen.
»Gendern« ist nicht in allen Sprachen notwendig. So wird in der englischen oder dänischen Sprache das Geschlecht in der dritten Person angegeben. Es existieren auch genderlose Sprachen wie Finnisch oder Ungarisch, die kein grammatikalisches oder pronominales Geschlecht enthalten. Deutsch zählt ebenso wie Spanisch zu den Sprachen, bei denen das grammatikalische Geschlecht des Substantivs mit dem Geschlecht des verwendeten Personalpronomens kongruent ist.
Im deutschen Sprachgebrauch bemüht sich eine genderneutrale Sprache folglich um die sprachliche Einbeziehung und Gleichstellung aller Geschlechter, da unsere Sprache unser gesellschaftliches Leben und Denken widerspiegelt.
Auch von der DHBW Villingen-Schwenningen wird die Anwendung geschlechtergerechter Sprache verfolgt. Obwohl es verschiedene gleichbedeutende Möglichkeiten zum »Gendern« gibt, empfiehlt die Hochschule die Verwendung des Gendersternchens. Dieses, aus den Programmiersprachen entstammend, impliziert viele möglichen Endungen des Wortstammes und spricht folglich auch Personen an, die sich mit keinem der binären Geschlechter identifizieren.[2]
Eben dieses Einfügen von Satzzeichen wird von Kritikern oft als unnatürlich und der deutschen Sprache schadend proklamiert.[3] Wenn einige Stimmen jedoch »Gendern« mit einer »Sprachdiktatur« verbinden, zwingen sie sich nicht viel mehr selbst das Beibehalten von veralteten Strukturen auf?
Ein Beispiel für veraltete Strukturen sind sogenannte »Generalklauseln«, die angeben, wie ein Text zu verstehen sei. Sicher haben viele schon folgende Formulierungen gelesen: „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Bachelorarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.“ Formulierungen wie diese gleichen einem leeren Versprechen ohne Umsetzung konkreter Schritte. Eine solche Klausel zeigt nicht die Vielfalt der Geschlechter und übergeht, wie vielseitig geschlechtergerechte Sprache sein kann.
Zugegeben, hierfür erfordert es die aufmerksame Reflexion über den eigenen Sprachgebrauch und etwas Übung. Die Alternative ist jedoch die fehlende Repräsentation aller Geschlechter in der deutschen Sprache. Außerdem ist Sprache kein starres Konstrukt, sondern befindet sich stets in Bewegung.[4] Das wird deutlich an der Aufnahme von zahlreichen Anglizismen in den Duden. Genauso wie hiermit die Folgen von einer zunehmend globalisierten Gesellschaft abgebildet werden, sollten doch auch Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Inklusion Platz in der deutschen Sprache finden.
Fortschritt kommt nicht ohne Kreativität aus – gleich ist es mit dem »Gendern«. Wie geschlechtergerechte Sprache geht, ist nicht festgelegt. Alle dürfen so »gendern«, wie sie wollen, egal ob in Sprache oder Schrift. Entscheidend ist die Einbeziehung aller Geschlechter.
Die DHBW Villingen-Schwenningen als Ort der Bildung und des Zusammenseins begrüßt das Engagement vieler Studierender und deren Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache. An einer Dualen Hochschule kann der Gebrauch insofern noch von Bedeutung sein, da jede und jeder von uns diese aufgeschlossene Haltung in das Unternehmensumfeld des entsprechenden Dualen Partners weitergeben kann.
Am Campus der DHBW Villingen-Schwenningen engagiert sich das A-Team als Instanz für Gleichstellung, Toleranz und grenzachtendes Handeln. Tatsächlich geht es hier darum, die mentalen Grenzen im Kopfe jedes Menschen zu erweitern. Indem wir als Hochschulangehörige Sprache bewusst geschlechtergerecht verwenden, machen wir auf die Vielfalt an unserer Hochschule und auf bestehenden Verbesserungsbedarf aufmerksam. Wird hingegen in der Regel nur ein Geschlecht angesprochen, wird auch nur an eben dieses gedacht. Und das entspricht schlichtweg nicht der Realität. An jeder Ecke unseres Lebens treffen wir auf Personen jeden Geschlechts oder eben auch jene, die sich keinem der binären Geschlechter zuordnen. Wir sind der Überzeugung, dass sich diese Tatsachen auch in unserem alltäglichen Sprachgebrauch widerspiegeln sollten. Auch wenn es eine Umstellung ist, bewirken letztendlich zwei Punkte, ein Sternchen oder ein großes I die sprachliche Repräsentation aller Menschen in unserer Gesellschaft – denn kleine Zeichen, große Wirkung!
Femke und Valentin
für das A-Team
[1] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gendern-friedrich-merz-gegen-geschlechtsneutrale-sprache-17307811.html
[2] https://www.dhbw-vs.de/hochschule/gremien-organisation/gleichstellungsbeauftragte.html
[3] https://www.spiegel.de/kultur/wer-hat-angst-vor-dem-genderwahn-kommentar-von-liane-bednarz-a-948ed8f6-fa1f-465c-9b07-86cfcf34ccb0
[4] https://finno-ugristik.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/a_finno_ugristik/Studium/skriptum_sprachwissenschaft.pdf