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Quartiersarbeit unter der Lupe

Studiengang »Soziale Arbeit – Netzwerk- und Sozialraumarbeit« auf Abschlussexkursion in Freiburg

Anfang August reisten Studierende des Studiengangs »Soziale Arbeit – Netzwerk- und Sozialraumarbeit« zusammen mit ihrer Studiengangsleiterin Professorin Dr. Daniela Steenkamp nach Freiburg. Im Zentrum der zweitätigen Exkursion stand das Quartiersmanagement der Großstadt.

Sascha Oehme, Leiter der Geschäftsstelle des kommunalen Quartiersmanagements in Freiburg, stellte den Studierenden im Rathaus die Neukonzeption der Quartiersarbeit ab 2018 vor und präsentierte aktuelle Daten aus dem Sozialscreening der Stadt. Derzeit besteht Freiburg aus 13 Stadtteilen in denen es 14 Quartiere mit insgesamt 16 Anlaufstellen der Quartiersarbeit gibt. In einzelnen Quartieren beträgt die Quote von Personen in Bedarfsgemeinschaften (SB II) 22%. Oehme betonte die Notwendigkeit verbindlicher Zielvereinbarungen mit den freien Trägern in der Quartiersarbeit und die Bedeutung der gezielten politischen Gremienarbeit. „Voraussetzung für eine gelingende Quartiersarbeit ist es, die Herausforderungen in den Sozialräumen unter die Lupe zu nehmen“, so der Geschäftsstellenleiter. „Danach müssen Sozialarbeitende Ressourcen aktivieren, Menschen zusammenbringen, Prozesse moderieren, Verwaltungsstrukturen verstehen und gekonnt zwischen den verschiedenen Akteuren vermitteln.“ Ferner erklärte er, dass die Quartiersarbeit Abhängigkeiten und Ambivalenzen ausgesetzt sei: Einerseits gehe es darum, Menschen zu stärken und in ihrer Artikulationsfähigkeit zu unterstützen. Andererseits habe auch die Stadt, die Quartiersarbeit als freiwillige kommunale Aufgabe finanziert, mit den dazugehörigen politischen Gremien legitime Interessen. Deshalb werde in Freiburg eine kritische-parteiliche Haltung von der Quartiersarbeit vorausgesetzt, um auch unterschiedlichen Interessenslagen Rechnung zu tragen.

Anschließend besuchten die Exkursionsteilnehmenden den Stadtteiltreff Haslach vom Nachbarschaftswerk e.V.. Gerald Lackenberger leistet bei dem gemeinnützigen Träger seit über zwanzig Jahren Quartiersarbeit und gab einen umfassenden Einblick in die Lebenswelten der überwiegend von Migrant*innen bewohnten Gegend: „Es gibt einen guten Zusammenhalt, der Lebensalltag ist jedoch von beengten Wohnverhältnissen, einer verbesserungswürdigen Wohnraumqualität und weniger Teilhabechancen geprägt.“ Er sei für jedes Anliegen offen und wäge bei jedem Fall gemeinsam mit den Menschen ab, ob es sich um ein individuelles oder gemeinschaftliches Problem handle – danach müsse sich dann die Arbeit ausrichten. „Insbesondere Angebote wie der Mittagstisch, das Mediencafé für Senior*innen oder das Ukraine-Info-Café kommen sehr gut bei den Bewohner*innen an“, do Lackenberger.

Am zweiten Tag ging es in das Freiburger Quartier Weingarten. „Dabei handelt es sich um eine sogenannte Satellitensiedlung, in der 25% der Bevölkerung armutsgefährdet sind. Viele Menschen leben auf sehr engem Raum“, erklärte Steenkamp. Im Gespräch beschrieben Marion Demuth und Theresa Hellmich, Quartiersarbeiterinnen beim Forum Weingarten e.V., den Studierenden ihre Tätigkeitsfelder und unternahmen mit ihnen einen gemeinsamen Stadtteilspaziergang. Dabei legten sie einen besonderen Fokus auf die Themen »Mitbestimmung«, »Selbstorganisation der Menschen« sowie »politische Beteiligung«: „Es gibt beispielsweise ein aktives Mitentscheidungsrecht von Bewohner*innen bei der Auswahl zukünftiger Nachbarn, Mieter*innenpatenschaften oder ein Urban Gardening Projekt“, berichteten die Mitarbeiterinnen des Forums. Auch sei der Verkauf von 140 Wohnungen an einen privaten Investor erfolgreich verhindert worden, indem ein inoffizieller Bürger*innenentscheid durchgeführt und die Presse mobilisiert wurde. „Meine Arbeit ist das, was die Menschen sich wünschen. Ich frage sie immer: Was bist du gewillt, zu tun und was brauchst du zur Umsetzung?“, beschrieb Demuth ihr Leitmotiv.

Zum Abschluss trafen sich die Studierenden mit Maximilian Bezenar vom Quartiersbüro des Stadtteils Brühl. Anschaulich beschrieb er, wie viele Menschen in diesem Quartier durch alle Raster fielen, weil sie gerade genug für den notwendigen Lebensunterhalt verdienten, in anderen Punkten jedoch von der Gesellschaft abgekoppelt seien. „Die dadurch bei den Menschen erzeugten Ohnmachtsgefühle und das Misstrauen erfordern genaues Zuhören“, so Bezenar. Gemeinsam mit seinen Kolleg*innen sei er bei sogenannten Haustürgesprächen von Wohnung zu Wohnung gegangen und kam so persönlich mit Bewohner*innen ins Gespräch. „Insgesamt steht die Quartiersarbeit auf vier Säulen: Soziokulturelle Angebote wie Feste oder ein Streets Soccer Turnier, eine gute Vernetzung vor Ort, die Koordination von ehrenamtlichem Engagement und die politische Gremienarbeit“, fasste der Quartiersarbeiter die Aufgaben und Ziele des Berufsfelds zusammen. Großen Anklang fänden vor allem Angebote wie der Spaziergehdienst, die Kummeroma, der Kaffeewagen oder die Selbsthilfegruppe für von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen.

Der Studiengang »Soziale Arbeit – Netzwerk- und Sozialraumarbeit« legt einen speziellen Fokus auf die nachhaltige Verbesserung von Lebensbedingungen in Sozialräumen und von Menschen in schwierigen Lebenslagen. „Die Quartiersarbeit möchte Menschen dazu anregen, ihr Wohnumfeld in einen Ort des lebendigen Miteinanders zu verwandeln und aktiv mitzugestalten. So entsteht eine höhere Lebensqualität für alle“, erklärte Studiengangsleiterin Steenkamp. „Soziale Arbeit kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten.“

 

 

Die Exkursion führte die Studierenden in unterschiediche Quartiere der Stadt Freiburg. (Bild: DHBW)
"Annika Honacker"

Annika Honacker