»Soziale Arbeit – Jugend-, Familien- und Sozialhilfe« und Duale Partner diskutieren gelingende Praxisanleitungen
Traditionell empfangen die Leiter*innen des Studiengangs »Soziale Arbeit – Jugend- Familien- und Sozialhilfe«, Professorin Dr. Rahel Gugel, Professor Dr. Andreas Gut und Professorin Dr. Barbara Schramkowski, zum Jahresende Fachkräfte aus kooperierenden sozialen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. 65 Vertreter*innen Dualer Partnern nahmen die Einladung an und besprachen gemeinsam Best-Practice-Beispiele der Praxisanleitung.
Monika Kolke-Schmitz, Fachbereichsleiterin im Jugendamt des Landratsamtes Emmendingen, Tabea Troll, Fachkraft im Pflegekinderdienst des Jugendamtes Waldshut und Alumna des Studiengangs, und Studiengangsleiter Gut stellten dazu ihre Perspektiven vor.
Kolke-Schmitz erläuterte das Anleitungskonzept des Jugendamtes, das unter anderem regelmäßige Anleitungsgespräche, Hospitationen und Vorträge zu relevanten Fachthemen als Teil der Einarbeitung vorsieht.
Die ehemalige Studentin Tabea Troll vertrat die Perspektive der Angeleiteten und betonte, dass Kontinuität in der Anleitung und das von den Anleiter*innen ausgehende Vertrauen zentrale Punkte seien, die die Studierenden darin bestärken, eigene Verantwortung in einem geschützten Rahmen zu übernehmen. Ebenso würden positive Rückmeldungen die Studierenden in Ihrer Arbeit unterstützen.
Gut ergänzte aus Perspektive der Studiengangsleitung: Gemäß dem Motto „Bindung geht vor Bildung“ sei die Beziehung zwischen den Studierenden und ihren Anleiter*innen der zentrale Aspekt, damit ein fachlich gelingender Lernprozess entstehen könne. Dazu gehöre, dass die Anleiter*innen den Studierenden neue Lernerfahrungen ermöglichen und fachliche Aufgaben zutrauen. Gleichzeitig sollten sie bereit sein, die Erfahrungen der Studierenden gemeinsam regelmäßig zu reflektieren und ihnen in kritischen Situation unterstützend zur Seite zu stehen. „Als angehende Fachkolleg*innen benötigen Studierende gleichermaßen Respekt vor der bereits vorhandenen Fachlichkeit und Sensibilität für die noch anstehenden Lernaufgaben“, so der Studiengangsleiter.
Die Überlegungen fanden Anklang unter den Fachkräften, die sich allesamt sehr bemüht um ihre Studierenden zeigten. Mehrfach wurde im Plenum betont, dass Kontinuität, Beziehung, Verlässlichkeit, Wertschätzung, Beteiligung, Zeit und eine angemessene Rahmenstruktur wichtige Voraussetzungen für gute Anleitungsprozesse seien. „Der Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe ist massiv spürbar. Die daraus resultierende hohe Belastung der Fachkräfte trägt bedauerlicherweise dazu bei, dass Anleitungsgespräche teilweise nicht stattfinden können“, hält Gugel fest. Hinzu kämen die aktuellen Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die viele soziale Einrichtungen in das Dilemma brächten, mit noch weniger Ressourcen wachsende soziale Problemlagen aufzufangen und abzumildern. „Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Dualen Partnern im engen Austausch stehen und ihnen den Raum bieten, sich mit Kolleg*innen anderer Einrichtungen zu vernetzen.“
Im Anschluss thematisierte Gut in seinem Vortrag »Verlust und Trauer als ein bisweilen übersehenes Thema in der Kinder- und Jugendhilfe« die Verlusterfahrungen, mit denen viele Kinder, Jugendliche und Eltern insbesondere in den Hilfen zur Erziehung kämpfen. „Die Erfahrungen reichen vom Tod eines Familienmitglieds über den Verlust familiärer Bindungen durch Fremdunterbringungen bis zum dauerhaften Abschied aus der Heimat durch Flucht“, berichtet Gut. Verhaltensauffälligkeiten in der Schule, Drogenkonsum oder innerfamiliäre Konflikte würden den Alltag bisweilen so stark beherrschen und im Fokus der sozialpädagogischen Interventionen stehen, dass ein Blick für die Verlusterfahrungen verloren ginge. Hinzu käme, dass Fachkräfte Probleme, Situationen oder Verhaltensweisen häufig mithilfe von – zweifelsfrei wichtigen – Theorien wie Trauma, Bindung und Resilienz deuten, so dass auch hier die Trauer leicht aus dem Blick geriete. „Für Sozialarbeiter*innen in der Kinder- und Jugendhilfe ist es daher wichtig, die Bedeutung des Themas anzuerkennen, einen Blick für Trauerprozesse und deren Erscheinungsformen zu entwickeln, und die sich überlagernden Mehrfachbelastungen von Kindern, Jugendlichen und Familien in den Hilfen zur Erziehung wahrzunehmen“, resümiert der Studiengangsleiter. Die Fachkräfte könnten die ihnen anvertrauten Menschen unterstützen, indem sie Begegnungen mit anderen von Trauer und Verlust betroffenen Menschen schaffen oder Hilfe beim Umschreiben negativer Skripte leisten (‚meine Eltern konnten nicht mehr für mich sorgen, deshalb bin ich in der Wohngruppe‘ statt ‚ich war immer so böse zu Mama, so dass es meine Eltern nicht mehr mit mir ausgehalten haben‘). Auch bestünde die Möglichkeit, die Lebensfreude in Trauerprozessen zu unterstützen oder Gelegenheiten für Bindungen über den Tod hinaus zu schaffen, etwa ein gemeinsamer Besuch am Grab der Mutter oder die Gestaltung eines Bildes, das an den Bruder erinnert.
Im Anschluss gab Schramkowski einen Einblick in »Ökologische Kinderrechte und Verantwortungen der Jugendhilfe bei der Klimatransformation«. Sie stellte die Belastung der Kinder durch die ökologischen Krisen dar und verwies auf den kürzlich veröffentlichten neuen General Comment zur UN-Kinderrechtskonvention. Dieser hebe hervor, so Schramkowski, dass bestimmte Kinderrechte wie das Recht auf Gesundheit, auf Leben und auf den Schutz des Kindeswohls vom Zustand der ökologischen Umwelt abhingen und dass die Klimakrise eine große Gefährdung für die körperliche und psychische Gesundheit junger Menschen darstelle. „Da die Kinder- und Jugendhilfe anwaltschaftlich für das Recht von Kindern und Jugendlichen auf gesunde Entwicklung einsteht, ist sie auch in der Verantwortung ihre Abläufe auf Klima- und Umweltschäden zu prüfen“, hebt die Studiengangsleiterin hervor. Dazu stellte sie unter anderem das vom Paritätischen Gesamtverband herausgegebenen Kochbuch »Klimagesund kochen und genießen ‒ Ein Kochbuch für eine klimagesunde Gemeinschaftsverpflegung« vor, das sich an der Planetary Health Diet, also einer überwiegend pflanzlichen Ernährung orientiert. Auch verwies sie auf die Relevanz der Wasserwende: „Die Leiterin einer größeren Jugendhilfeeinrichtung hat ausgerechnet, dass durch die Umstellung von Flaschen- auf Leitungswasser im Jahr rund 20.000 Euro eingespart werden können, die dann beispielsweise für die Umstellung auf erneuerbare Energieversorgung zur Verfügung stehen.“
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