Ritualisierte Gewalt — Jeder weiß es und keiner sieht hin
Hauptsächlich junge Menschen hören über zwei Stunden gebannt den Ausführungen von Matthias Katsch und Alex Stern zu, deren eigene Lebensgeschichten als Überlebende sexualisierter Gewalt im Rahmen eines Campus Abends an der DHBW Villingen-Schwenningen thematisiert werden.
Die beiden Mitglieder im Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten zum Schutz von Kindern vor Kindesmissbrauch der Bundesregierung informieren eindringlich zum Thema, dabei zeigen sie wissenschaftliche Erkenntnisse auf und machen deutlich, dass diese ihre eigenen Erfahrungen als ehemalige Opfer ritualisierter, teils sadistischer sexualisierter Gewalt bestätigen. Beide haben als Kinder erfahren, dass sie in Systemen aufwuchsen, die nicht sie schützten, sondern den Tätern den Rahmen gaben, ihre teils sadistischen Neigungen auszuleben. Stern machte in seinem Vortrag sehr gut deutlich, wie wichtig eine gute professionelle Ausstattung von Einrichtungen der Jugendhilfe ist und wo hier noch Entwicklungsbedarf in vielen Einrichtungen besteht.
Dies griff auch Matthias Katsch mit seinen Ausführungen auf. Auch Katsch konnte sich - wie Alex Stern - im damaligen Alltag nicht an sein Erleben erinnern. Seine Jugend nahm er wie „hinter einer Milchglaswand“ wahr. Erst als er als Erwachsener zufällig einem seiner Peiniger wieder begegnete, zerbrach die Milchglaswand und er konnte so mit der Aufarbeitung beginnen. „Ich hatte nie Erinnerungen an Träume – heute träume ich“, erzählt Katsch. Was hat geholfen? „In erster Linie, dass es Menschen gab und gibt, die die Dinge, die wir erlebten, für möglich halten“, so die beiden politisch aktiven Männer. „Solange es Menschen gibt, die nicht wahrhaben wollen, was wir und andere Betroffene erlebt haben wird es schwer bleiben, das Erlebte zu verarbeiten und gesund zu werden oder gesund zu bleiben.“
„Der Volkswirtschaftliche Schaden, der durch sexualisierte Gewalt entsteht, liegt bei circa 11,1 Milliarden Euro“, berichtet Stern und spricht insbesondere die Studierende aus der Fakultät Wirtschaft an: Ein weiterer Grund, sich dem Thema anzunehmen. Im März 2010 hat die Bundesregierung die Bundesfamilienministerin a. D. Dr. Christine Bergmann als Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs ernannt, um sich um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zu kümmern. Das Amt ist organisatorisch beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) angesiedelt. „Dadurch wurde es geschafft, die Sichtweisen der Betroffenen in die Gesetzgebung einzubinden, erläutert Katsch. Erreicht haben die Frauen und Männer im Betroffenenrat schon einiges. Nachzulesen ist das auf der Homepage des UBKSM.
Der Abend wurde von Prof. Dr. Anja Teubert, Studiengangsleiterin Soziale Arbeit – Menschen mit Behinderung an der DHBW Villingen-Schwenningen, die auch zu diesem Thema forscht und arbeitet, moderiert.
Weitere Informationen zum Thema Betroffenenrat sind auch bei den ebenfalls am Abend anwesenden Fachberatungsstellen zu erhalten:
Frauen helfen Frauen Schwarzwald-Baar e. V.
78054 Villingen
Tel: 07721-4054022
buero-vs@fhf-sbk.de
Phönix – gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch e.V.
Bahnhofstraße 11
78532 Tuttlingen
Tel: 07461 770550
anlaufstelle@phönix-tuttlingen.de
Frauen helfen Frauen- Beratungsstelle für Frauen und Mädchen in Notsituationen und schwierigen Lebenslagen
Hohlengrabengasse 7
78628 Rottweil
Tel: 0741 - 4 13 14
info@fhf-auswege.de

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