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„Rassismus geht unter die Haut“

Webinar zu Rassismus an Hochschulen

Anfang Juli lud das Institut für Transkulturelle Gesundheitsforschung an der DHBW Villingen-Schwenningen im Rahmen eines Online-Seminars zu einer Auseinandersetzung mit rassistischen und diskriminierenden Strukturen an Hochschulen ein und begrüßte rund 300 Hochschul-Mitarbeitende, Studierende und Interessierte. „Die Würde des Menschen ist unantastbar, so heißt es, und ist in der Realität doch leider nicht immer der Fall. Das muss sich ändern“, eröffnete Professor Dr. Dr. Jan Kizilhan, Direktor des Instituts und Initiator der Veranstaltung, den Nachmittag.

In ihrem Grußwort führte Professorin Dr. Beate Blank, Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der DHBW, in das Thema Rassismus aus der Perspektive der Gleichstellung ein und sieht die Hochschulen in einer besonderen Verantwortung. Blank zufolge sind Wissenschaftler*innen of Color (POC) nachweisbar nicht nur von den typischen Formen der Diskriminierung betroffen, sondern werden oft auch aus dem akademischen Betrieb und der Wissenschaft der Weißen strukturell verdrängt und intellektuell enteignet. Diese Aussage in ihrer Bestimmtheit rufe bei Nicht-Betroffenen jedoch oft Verwunderung oder Widerstand hervor. Dabei gehe Rassismus laut Blank unter die Haut und werde gleichsam im Körper inkorporiert. Für die DHBW sieht Blank in den nächsten Jahren gute Chancen, die Themen Gleichstellung und Chancengleichheit in ihrer intersektionalen Verwobenheit zu adressieren. „Ich möchte mich mit aller Kraft für ein Netzwerk aus Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit als Ansatz für eine diskriminierungssensible Hochschule einsetzen“, sagte sie.

Den Auftakt der vier inhaltlich sehr dichten Vorträge machte Dr. Daniela Heitzmann, Leiterin der Geschäftsstelle des Netzwerks Diversität an Thüringer Hochschulen, mit einer Einführung in den Rassismus- und Kolonialismusbegriff, sowie in die historischen Zusammenhänge von Rassismus und Diskriminierung an Hochschulen. „Es gibt nicht viele Hochschulen, die systematisch ihre Kolonialvergangenheit aufgearbeitet haben“, fasst sie den aktuellen Stand und Bedarf zur Auseinandersetzung mit den geschichtlichen Hintergründen der Hochschulen zusammen.

Dr. Kien Nghi Ha, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Asien-Orient-Institut der Universität Tübingen, lud in seinem Vortrag zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten von Forschung und Lehre, aber auch den Strukturen, ein. Dabei wurde auch betrachtet, ob Ausschlüsse, Dominanz und Marginalisierung stattfinden. Kritisch diskutierte er das Konzept Diversität und seinen Nutzen für gerechtere und diskriminierungsfreie Hochschulen. Es sei sehr wichtig, Hochschulen als einen gesellschaftlichen Ort zu betrachten, an dem die historischen wie auch die sozialen Machtverhältnisse der Gesellschaft einen Platz haben und auch genauso wirken wie in der Gesellschaft“, so Ha. Als zentrale aktuelle Problemfelder benannte er den Zugang zur Hochschule, Hierarchien und institutionelle Strukturen, die Perspektiven, die sich in Lehre und Forschung spiegeln und die Frage nach einer diskriminierungssensiblen universitären Arbeitskultur.

Im dritten Vortrag berichtete Professorin Tezcan-Güntekin, Professorin für »Interprofessionelle Handlungsansätze mit Schwerpunkt auf qualitativen Forschungsmethoden in Public Health« an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, über eine Studie, die sie 2017 an der Universität Bielefeld durchgeführt hatte. „Anlass der Studie war die Feststellung, dass Studierende mit Migrationshintergrund an den Universitäten irgendwann verschwinden“, so Tezcan-Güntekin. „Es sollte herausgefunden werden, was gegen Diskriminierungserfahrungen der Studierenden mit Migrationshintergrund gemacht werden kann, um ein besser studierbares Umfeld zu schaffen.“ Die Studie untersuchte die Diskriminierungserfahrungen aus intersektionaler Perspektive und berücksichtigte verschiedene Diskriminierungskategorien. Aus den Studienergebnissen ließe sich u. a. ableiten, dass knapp die Hälfte der teilnehmenden Studierenden Diskriminierungserfahrungen machten, die sich im Folgenden negativ auf die soziale Integration und die Fortsetzung des Studiums auswirkten, berichtete Teczan-Güntekin. Daraus, sowie aus den nachfolgenden Arbeiten von Tezcan-Güntekin zu Diversity, ergäben sich für die Hochschulen folgende Maßnahmen: Um Diskriminierung nicht nur zu identifizieren, sondern auch die Machtstrukturen, die dazu führen, verstehen und abbauen zu können, sei die intersektionale Perspektive zwingend notwendig. Hauptamtliche Antidiskriminierungs- bzw. Rassismusbeauftragte seien einzurichten und Diversity-Audits sollten eingeführt werden, mit dem zentralen Ziel einer diskriminierungsarmen Lehre. Außerdem seien, so Tezcan-Güntekin, auch die Bereiche Personal und Forschung, durch ihren enormen Einfluss auf Studierende, von großer Bedeutung.

Im vierten Vortrag stellte Kizilhan die Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung auf die psychische Gesundheit der betroffenen Menschen dar. Insbesondere häufige Diskriminierungserfahrungen können die Gesundheit dauerhaft, sogar über Generationen hinweg, beeinträchtigen. „Rassistische Handlungen führen tatsächlich zu bestimmten Belastungsreaktionen, diese wiederum können im Extremfall auch zu Psychosen, Traumata, Angststörungen und Depressionen führen“, erklärte Kizilhan. Gleichzeitig bestünden große rassistisch bedingte Ungleichheiten auch beim Zugang und in der Qualität der Gesundheitsversorgung. Hier sieht Kizilhan die Politik in der Pflicht, die Ungleichheiten zu verringern. Die Bekämpfung von Rassismus betreffe jedoch alle Menschen einer Gesellschaft, als Teil des gesellschaftlichen Machtgefüges: „Rassismus geht uns alle an.“

Den Referent*innen des Seminars gelang es mit der Veranstaltung, den Bogen über verschiedene Perspektiven zum Thema »Rassismus an Hochschulen« zu spannen. Einzelne Aspekte wurden andiskutiert. Zahlreiche Fragen, Anmerkungen und Diskussionspunkte der Teilnehmenden zeigten deutlich den großen Wunsch und Bedarf für eine vertiefte und auch diskursive Auseinandersetzung.

Professor Dr. Dr. Jan Kizilhan, Direktor des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung an der DHBW Villingen-Schwenningen