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Grenzachtender Umgang an der Hochschule

Am 8. Mai 2019 hat ein Team von Studierenden um die beiden Ansprechpersonen bei sexueller Belästigung der DHBW Villingen-Schwenningen, Professorin Dr. Anja Teubert und Professor Dr. Clive Flynn, einen Campus Abend zum Thema "Sexuelle Belästigung – eine Gefahr für uns alle?" veranstaltet. Gemeinsam mit Professorin Dr. Julia Gebrande von der Hochschule Esslingen und Professor Dr. Frederic Vobbe von der SRH Hochschule Heidelberg diskutierten die Beteiligten mit circa 60 interessierten Praxisvertretenden, Studierenden, Fachberatungsstellenvertreterinnen und auch Vertreterinnen anderer Hochschulen schauspielerisch dargestellte Szenen, die verbale und nonverbale Grenzüberschreitungen und sexuelle Belästigungen zeigten.

„Tendenziell schützen wir häufiger die Täter als die Opfer, wenn es um sexuelle Belästigung geht“ so Vobbe, Professor für Soziale Arbeit an der Fakultät für Sozial- und Rechtswissenschaften. Professor Dr. Frederic VobbeGespräche und Diskussionsrunden über grenzachtendes Verhalten und grenzverletzendes Handeln seien eine gute präventive Maßnahme und können in ein strukturell verankertes Präventionskonzept einfließen. Dabei gehe es nicht darum, ein allgemeines Misstrauensverhältnis aufzubauen oder Vorverurteilungen Raum zu bieten, ergänzte Gebrande. Als Professorin für Soziale Arbeit sieht sie in einem transparenten Konzept einen wichtigen Schritt hin zu einer sachlichen Prüfung eines Vorfalls - ohne dabei zu bagatellisieren oder zu dramatisieren.

Einverständnis und subjektives Empfinden

Studierende der Sozialen Arbeit und International Business stellten gemeinsam mit den beiden Ansprechpersonen bei sexueller Belästigung in fünf Szenarien unterschiedliche Situationen dar. Die Intention der handelnden Personen und das Empfinden des jeweiligen Gegenübers wurden nach der Szene für die Zuhörerinnen und Zuhörer von den Professorin Dr. Julia GebrandeDarstelleden erläutert und waren für die anschließende Diskussion und Beurteilung der Szene wichtig. „Das beidseitige Einverständnis ist spätestens seit 2016 unter dem Motto „Nein heißt Nein“ als Grundsatz verankert“, so Gebrande. „Grundsätzlich definiert die betroffene Person, nicht aber die handelnde Person, eine Handlung oder ein Verhalten als Grenzüberschreitung. Was die eine Person möglicherweise als Grenzüberschreitung definiert, muss also bei einer anderen Person nicht zwingend ein ähnliches Empfinden auslösen.“ Die subjektive Bewertung erschwert damit die ``Standardisierung´´ eines grenzachtenden Umgangs ungemein, während sexuelle Belästigung oder gar sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung nach dem Strafgesetzbuch (StGB) als strafbare Handlungen definiert sind.

Bewertung des Verhaltens ist durch Sozialisation geprägt

Neben den noch immer gegenwärtigen Rollenbildern in heteronormativ geprägten Gesellschaften spielen auch Religion, Körperlichkeit und Herkunft eine Rolle im Setting, in dem ein Verhalten gezeigt, eingeordnet und bewertet wird. Die Geste des Händegebens, eine Berührung am Arm oder eine beruhigende Hand auf der Schulter des Gegenübers würden in Deutschland nicht zwangsläufig als Grenzüberschreitung gedeutet werden. Manche Menschen mit einem anderen kulturellen Background würden dies möglicherweise als unangenehm oder übergriffig empfinden, während für wieder andere Personen die Unterstützung des Gesprochenen durch nonverbale Kommunikation mittels Gesten und Berührungen selbstverständlich ist. Eine grenzachtende Distanz kann demnach pauschal nicht benannt werden. Die Sensibilisierung und der Austausch über unterschiedliche Empfindungen kann allerdings – unabhängig davon, wie eine Person sozialisiert wurde – dazu führen, respektvoll und grenzachtend im Umgang miteinander zu sein.

Macht und Stereotype

Grenzverletzendes Verhalten und sexuelle Belästigungen werden in zwischenmenschlichen Beziehungen begünstigt, wenn ein Machtgefälle besteht. Dieses kann sich ganz unterschiedlich darstellen. An Hochschulen besteht es beispielsweise zwischen Dozierenden und Studierenden oder Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Sprachliche Eloquenz, monetäre Ressourcen oder körperliche Überlegenheit können aber auch in Beziehungen von Peers (also Gruppen, die zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen) Machtunterschiede darstellen. Kritisch wird es immer dann, wenn die (sexuellen) Bedürfnisse einer Person auf Kosten einer anderen Person ausgelebt werden. Autoritätspersonen kommt in diesem Sinne eine besondere Verantwortung zu, ihre (Macht-)Position nicht zum Nachteil anderer einzusetzen.

Was am Campus Abend deutlich wurde, ist, dass grenzachtendes Verhalten nicht einfach zu definieren ist und dass das subjektive Empfinden über Handlungen und Verhalten stark variiert. Ein Schwarz-Weiß-Denken, die Bagatellisierung oder Dramatisierung sind wenig zielführend in der Diskussion, ebenso wie die Stereotypisierung, sexuelle Gewalt gehe ausschließlich vom Mann aus.

Darüber sprechen und sensibilisieren

„Mit dem Campus Abend ist es uns gelungen, das wichtige Thema in einer guten Art mit allen Anwesenden zu diskutieren, Fragen aufzugreifen und einen weiteren Schritt hin zu einem hochschulweiten, aber auch gesellschaftlich angemessenen Umgang mit der Thematik der sexuellen Belästigung zu gehen,“ so Teubert nach der Veranstaltung. Mit den schauspielerischen Einlagen war es ein etwas außergewöhnliches, aber sehr spannendes Format, das manche Anwesende gerne auch an ihrer Hochschule einsetzen wollen. Wichtig sei, so die Veranstaltenden abschließend, durch ein klares Handlungskonzept und einen sensiblen Umgang miteinander dafür zu sorgen, dass mit Grenzverletzungen jeglicher Art adäquat verfahren werde. So werden schließlich Opfer eher geschützt als Täter oder Täterinnen.

Jasmin Hollerbach, Franziska Heimrich, Milena Buhl, Lukas Werb, Rosanna DeGaetano, Jana Weber, Darius Keidler-Buchold, Clive Flynn, Anja Teubert (Bild: DHBW VS)