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Fachtag zu Flucht und Migration

Rund 130 Teilnehmende sowie 17 Experten und Expertinnen aus Praxis, Politik und Wissenschaft waren am 11. Oktober beim Fachtag des Studiengangs Soziale Arbeit - Jugend-, Familien- und Sozialhilfe am Hochschulstandort Villingen-Schwenningen zu Gast. Die Tagung zum Thema "Jugend-, Familien- und Sozialhilfe im Kontext von Flucht und Migration" wurde von den Studiengangsleitenden Prof. Brigitte Reinbold und Prof. Dr. Andreas Polutta gemeinsam mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) veranstaltet. Den Charakter einer „Denkwerkstatt“ im Schnittfeld von Politik, Praxis und Wissenschaft solle der Fachtag haben, hob Prof. Brigitte Reinbold hervor. Der Vorschlag wurde vom  Fachpublikum, das überwiegend aus Leitungskräften von Jugend- und Sozialämtern sowie freier Jugendhilfeträger bestand, lebhaft aufgenommen. Die Zuständigkeit für die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sowie die Organisation von Hilfe, Bildung und Teilhabe für geflüchtete Familien liegt bei der Kinder- und Jugendhilfe. Angesichts der jüngsten Flucht- und Migrationsbewegungen diskutierten die Fachvertreter/-innen miteinander über die politischen Entwicklungen. Im Zentrum standen hierbei die Datenlage, die aktuellen Herausforderungen für Kommunen, Landkreise und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Blick auf Planungs- und Finanzierungsfragen sowie neu zu entwickelnde Konzepte. Prof. Dr. Andreas Polutta  bescheinigte dem Tagungsthema eine große Dynamik, die vielerorts zu Improvisationen geführt habe. Auch wenn dabei viele neue praktische Ansätze und innovative Kooperationen entstanden seien, sei festzustellen, dass diese bisher nicht systematisch aufgearbeitet und institutionell eingearbeitet wurden. Die Professorin und der Professor sind sich sicher: Die Kinder- und Jugendhilfe wird die Aufgaben einer nachhaltigen gesellschaftlichen und sozialen Integration geflüchteter junger Menschen und Familien dann bewältigen, wenn es gelingt, einen gemeinsamen Diskurs zu gestalten. Prof. Roland Klinger betonte als Verbandsdirektor des KVJS, dass nach der Unterbringung der geflohenen Menschen insbesondere die Versorgung der Familien sowie der unbegleiteten Minderjährigen (UMAs) bewältigt werden müsse. Erziehungswissenschaftlerin Susanne Maurer von der Universität Marburg entfaltete in ihrer Keynote die Figur Sozialer Arbeit als Grenzbearbeiterin. Dabei gehe es darum, Grenzen zu ziehen, zu verschieben und zu verfestigen. Ministerialdirektor Prof. Dr. Wolf-Dietrich Hammann stellte als Vertreter des Landesministeriums für Soziales und Integration die Organisation, Steuerung und Finanzierung eines gesellschaftlichen Zusammenhalts in den Vordergrund. Er betonte die Verlustängste von Seiten der Bürger, die sich an den Flüchtlingen festmachten. Diesen stünden jedoch Menschenwürde, Selbstbestimmung und Partizipation zu. Ein Eckpunktepapier des neuen Ministeriums, das bis Ende des Jahres vorliegen soll, „darf nicht der Einstieg in eine Standardabsenkung sein“, forderte Hammann. „Ziel des Landes ist es, Standards zu erhalten, denn die Jugend ist unser Kapital“. Jugendrechtliche Anforderungen sollten nicht verbunden mit Rückschritten gestaltet werden. Sein Ministerium wolle den „Zukunftsplan Jugend“ realisieren. Prof. Dr. Albert Scherr von der Pädagogischen Hochschule Freiburg zeigte in seinem kritischen Kommentar auf, dass die Kinder- und Jugendhilfe häufig an nationalstaatlichen Grenzen orientiert ist und ihr Potenzial durch zu eng ausgelegte Verwaltungs- und Organisationsstrukturen nicht ausgeschöpft werde. In einer ersten Podiumsrunde setzten sich Verbands- und Trägervertreter/-innen mit den neuen Herausforderungen und geeigneten Strategien auseinander. Auf dem Podium vertreten waren Roland Kaiser, Dezernatsleiter Jugendhilfe, KJVS, Jürgen Stach, Sozialdezernent des Schwarzwald-Baar-Kreises und Eva-Maria Münzer, Sozialdezernentin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sowie Michael Spielmann von der Liga Freie Wohlfahrtspflege. Dr. Jens Pothmann (Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund) und Jürgen Stromeier (Referatsleiter Erzieherische Hilfen beim KJVS) betonten die langfristigen Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe als auch des Bildungs- und Beschäftigungssystems bei der Integration und Teilhabe der geflohenen Menschen. In zwei Kurzreferaten berichteten die Absolventen Thomas Böhm und Simone Schneider aus ihren Bachelorarbeiten. Im Mittelpunkt standen dabei die Betrachtung des Alltags in Wohngruppen sowie Fragen zur Handlungsautonomie im Asylverfahren. Ein abschließendes Podium befasste sich mit Erfahrungen und Handlungsansätzen aus der lokalen Praxis. Gefragt wurde dabei nach einem Wohlfahrtsmix, in dem ehrenamtliches Engagement mit dem professionellen Angebot vernetzt werde. Beteiligt waren die Stadt Kehl, vertreten durch Nadine Delmas (Fachbereich Bürgerdienste und Soziales der Stadt Kehl), Joachim Welter (Direktor des Lösungsorientierten Bildungs-, Beratungs- und Betreuungszentrums St. Anton in Riegel) und Hella Ralfs-Horeis (Evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Schmiedel e.V.).  
Kontakt: reinbold@dhbw-vs.de polutta@dhbw-vs.de