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Mehr Sicherheit bei steigenden Zinsen

Professor Dr. Jens Siebert und Professor Dr. Ulrich Bantleon zur Zinswende und Bankenrechnungslegung

Kreditinstitute sollten erhöhte Kaufpreise von Schuldverschreibungen – sogenannte Über-Pari-Beträge – umgehend nach deren Erwerb geltend machen und so dem Risiko durch Zinsschwankungen entgegenwirken. Dieser Meinung sind Professor Dr. Jens Siebert, der an der DHBW Villingen-Schwenningen Betriebswirtschaftliche Steuerlehre lehrt, und Professor Dr. Ulrich Bantleon, ehemaliger Studiengangsleiter »BWL – Bank« an der DHBW und heutiger Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Offenburg.

2017 beschäftigten sich die Professoren in einem gemeinsamen Beitrag ausführlich mit der deutschen und europäischen Rechtslage für den Zweiterwerb von Schuldverschreibungen über deren Nominalwert (DB 2017, S. 2365-2371). „Dabei geht es im Grunde um einen einfachen und häufigen Sachverhalt: Ein Kreditinstitut kauft eine Schuldverschreibung mit einer Verzinsung, die höher ist als das derzeitige Zinsniveau. Dafür muss das Kreditinstitut dem Verkäufer oder der Verkäuferin der Schuldverschreibung einen höheren Kaufpreis zahlen. Praktisch ‚erkauft‘ es sich damit die höheren Zinszahlungen während der Restlaufzeit der Schuldverschreibung“, erklärt Siebert. „Der darauf entfallende Kaufpreis ist der Über-Pari-Betrag. Der Pari-Betrag ist der Nennwert der Schuldverschreibung, der am Ende vom Schuldner zurückgezahlt wird.“ Das europäische Recht regele als Normalfall, dass der Über-Pari-Betrag sofort als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung des Kreditinstitutes behandelt würde. Durch die sofort aufwandswirksame Behandlung des Über-Pari-Betrags ergäbe sich für das Kreditinstitut ein gewisser Sicherheitspuffer bei steigenden Zinsen.

Das Unionsrecht ließe allerdings auch zu, dass die Mitgliedsstaaten eine Ausnahme davon festlegen. „Dann kann, genauer gesagt muss, das Kreditinstitut nach Festlegung des jeweiligen Mitgliedsstaates den Über-Pari-Betrag zeitanteilig anschreiben. Im Falle der späteren Erhöhung des Zinsniveaus ist die Schuldverschreibung weniger Wert als ihr Buchwert. Dadurch entstehen, oft vorübergehend, stille Lasten in der Bilanz des Kreditinstitutes“, fährt Siebert fort. Im Falle eines Verkaufs der Schuldverschreibung würde der Verlust realisiert und belaste das Ergebnis des Kreditinstitutes. Das sei nachteilig, wenn es zusätzliche Liquidität benötige und dazu Vermögenswerte wie die Schuldverschreibung verkaufen müsste.

In dem vor sechs Jahren veröffentlichten Forschungsbericht kamen Siebert und Bantleon zu dem Ergebnis, dass Deutschland von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Zinswende griffen die Verfasser das Thema im Frühjahr 2023 in ihrem Gastbeitrag »Hohe Wertpapierabschreibungen sind auch über-Pari-Käufen geschuldet«, erschienen in der Börsen-Zeitung Nr. 68 am 6. April 2023, nochmals auf: „Gemeinsam mit Herrn Bantleon appelliere ich an die Europäische Union, das oben dargestellte Wahlrecht der Mitgliedsstaaten in Bezug auf das Vorsichtsprinzip zu überprüfen und gegebenenfalls abzuschaffen. Wir halten es für notwendig, dass der deutsche Gesetzgeber angesichts der uneinheitlichen Bilanzierungspraxis in Deutschland für eine Klarstellung der Rechtslage sorgt“, resümiert Siebert.

 

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