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Forschungssemester im Zeichen der Klimagerechtigkeit

In allen Ökosystemen ist der negative Einfluss des Menschen spürbar – und die negativen Konsequenzen wie das Artensterben oder die Erhitzung der Erde werden immer sichtbarer: „Die Natur ist die Grundlage, die unser Leben erst ermöglicht. Dennoch übernutzen wir ihre Ressourcen so stark, dass zahlreiche planetare Kipppunkte erreicht sind und Ökosysteme sich möglicherweise nicht mehr regenerieren können. Wenn diese Ressourcen zunehmend erschöpft sind: So sinken die Trinkwasserspiegel ab, die Erntemengen gehen aufgrund ausgelaugter Böden zurück und infolge der Luftverschmutzung haben immer mehr Menschen Atemwegerkrankungen. Dies macht klar, dass wir unsere Lebens- und Wirtschaftsweisen grundlegend ändern müssen“, erklärt Prof.in Dr.in Barbara Schramkowski. Sie ist an der DHBW Villingen-Schwenningen eine der Leiter*innen des Studiengangs Soziale Arbeit; Jugend-, Familien- und Sozialhilfe.

Forschungsfreisemester an der DHBW

Sie hat die Option eines sogenannten Forschungsfreisemesters in Anspruch genommen – und sich in den vergangenen sechs Monaten der Relevanz ökologischer Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe gewidmet. Dies sei das größte Handlungsfeld der Sozialen Arbeit: „Mit rund 94.000 Einrichtungen gibt es einen hohen Gebäude- und Fahrzeugbestand und einen hohen Energiebedarf, so dass es ein großes Potential zur Senkung von Treibhausgasemissionen gibt. Auch die Ernährungswende ist eine große Stellschraube“ sagt Schramkowski.

Im Rahmen ihres Forschungsprojektes „Leuchttürme ökologischer Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe“ hat sie unter anderem zehn qualitative Interviews mit Leitungskräften großer Einrichtungen geführt, die ökologischen Nachhaltigkeit in Strukturen und pädagogischen Praxen etabliert haben. „Ich wollte den Fokus drehen und an die Orte gehen, an denen ökologische Nachhaltigkeit gelingt. Gerade weil bei der Befassung mit der Klimakrise bei den meisten Menschen Gefühle von Angst und Ohnmacht dominieren. Die Interviews haben mir gezeigt, dass einzelne Menschen zum Beispiel in sozialen Einrichtungen sehr viel bewegen können.“

So wurden Veränderungen auf der Ebene der Einrichtungsstruktur vorgenommen wie beispielsweise durch die Installation erneuerbarer Energie- und Wärmesysteme. Auch wurde in allen Einrichtungen der Anteil an regionalen und ökologischen Lebensmitteln erhöht und der Fleischkonsum deutlich reduziert. Dazu sagt beispielweise eine Leitungskraft: „Und das ist der gute Tipp, einem anderen Einrichtungsleiter zu sagen: Einfach machen. Also eben zum Thema Fleisch. Einfach reduzieren und nicht so viel thematisieren.“

Neue Ideen der Umsetzung entstehen

In allen Einrichtungen waren junge Menschen an den Veränderungen beteiligt: „Darüber kamen Ideen auf wie auf den Einsatz eines Trockners zu verzichten und stattdessen die Wäsche wieder aufzuhängen. Oder auf dem Sommerfest nur noch vegane Bratwürste anzubieten“, beschreibt Schramkowski. Fasziniert sei sie davon gewesen, dass Vorschläge der jungen Menschen konsequent umgesetzt wurden: „Sonst werden gerade beim Klimaschutz immer Gründe hervorgebracht, warum Vorschläge nicht umsetzbar sind. Die Erfahrung der konsequenten Unterstützung von Transformation hat mich begeistert und die Ergebnisse sind absolut positiv.“ Auch im pädagogischen Handeln entstanden neue Ideen wie Müllsammeln, Gartenbau und vermehrte Aktionen zur Förderung der Naturbeziehung der jungen Menschen.

Das Kernergebnis des Projektes

„Die ökologische Krise ist da, wir müssen handeln – dazu brauchen wir den Mut, neu zu denken und zu handeln.“ Die Interviews zeigen, wie viel Veränderung möglich ist, die im Sinne von Generationengerechtigkeit auch eine Pflichtaufgabe der erwachsenen Generation ist: „Den Leuchtturm-Einrichtungen versuche ich über Vorträge, Veröffentlichungen und Kooperationsveranstaltungen mit Fachverbänden Sichtbarkeit zu verschaffen, damit sich weiter Einrichtungen durch ihr Engagement inspiriert werden““, erklärt Barbara Schramkowski. Gerade auch, weil die Themen Klima- und Umweltschutz fachlich für die Soziale Arbeit besonders anschlussfähig seien, da Kinderrechte und Kinderschutz wichtige Prinzipien des Arbeitsfeldes sind: „Klima- und Umweltschutz sind bedeutsam für die Rechte junger Menschen auf Leben, Schutz und Gesundheit, so die klare Aussage der UN-Kinderrechtskonvention“. Dafür hat Barbara Schramkowski in Kooperation mit einem Grafiker ein eigenes Logo konzipiert: „Klimaschutz ist Kinderschutz.“

Wie geht es weiter?

Das Projekt soll weiter ausgebaut und es sollen noch mehr Duale Partnereinrichtungen einbezogen werden. Die Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn, das Pestalozzi Kinderdorf am Bodensee und das Haus Nazareth in Sigmaringen sind bereits dabei mit ihrem großen Engagement für ökologische Nachhaltigkeit. „Ich komme gerne zu Dualen Partnereinrichtungen zur Erstberatung“, sagt Schramkowski: „Ich möchte Einrichtungen zu inspirieren, dass Veränderung Spaß machen kann und die Lebens- und Arbeitsqualität erhöht. Zum Beispiel weil Freiflächen stärker begrünt und biodiverses sind, das Essen gesünder ist, die Energiekosten aufgrund der PV-Anlage reduziert sind und es ein Konzept für Gesundheitsschutz an Hitzetagen gibt.“

Von links: Willibald Neumeyer (Leiter des Caritas-Jugendhilfezentrums Schnaittach), Prof.in Dr.in Barbara Schramkowski (Duale Hochschule Baden-Württemberg), Luisa Neubauer (Fridays for Future), Eva Welskop-Deffaa (Präsidentin Deutscher Caritasverband e.V.) und Michael Kaiser (Vorstand des Bundesverbandes Caritas Kinder- und Jugendhilfe – BVkE) auf dem 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig mit dem Appell „Mehr Klimaschutz für die Kinder- und Jugendhilfe. Foto: Deutscher Caritasverband